Enter the Void (2010)

Filmbeschreibung:

Oscar ist ein Verlierer, Ein Junkie und Drogendealer im Moloch Tokio. Einer der ganz kleinen Fische in einer Welt voll mit Sex und Gewalt. Doch selbst einer wie er hat Gefühle. Insbesondere zu seiner Schwester Linda, die als Stripperin in einem Nachtclub arbeitet. In dieser kaputten Welt, dieser bösen Stadt, haben sie nur noch sich Beide. Sie passen aufeinander auf. “Wir bleiben ewig zusammen”. Das haben sich die Beiden damals, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, geschworen. Doch bei einem missratenen Drogendeal wird Oscar von einem vermeintlichen Freund verraten und von der Polizei erschossen. Der Hauptcharakter des Films stirbt. Doch der geleistete Schwur lässt Oscar nicht ruhen. Rastlos irrt sein Geist durch die Straßen Tokyos. Durch Zeit und Raum. Durch Menschen und Welten. Immer darauf bedacht über das Leben derer, die ihm etwas bedeuteten, zu wachen. Zum Trailer

Filmkritik:

Gaspar Noé liefert generell Kino der Extreme. Seine Filme sind nicht nur narrative Erfahrungen, sondern meist physische und psychische Erlebnisse. Bei ihm ist ein Film nicht nur eine erzählte Geschichte, sondern ein fühlbarer, fast schon religiöser Reiz. Mit Enter the Void liefert er nun seine neueste Tour-de-Force ab. Die Handlung scheint zunächst simpel gestrickt. Junkie + missratener Deal + Tod. Alles schon tausendmal gesehen. Doch durch die folgende metaphysische Geist-Ebene erhält der Film seinen Reiz. Eingewoben in ein religiöses Gewirr aus Buddhismus, Shintoismus und Pantheismus, “erklärt” Noé den Geist Oscars. Maßgeblich geht es um den Themenkomplex “Wiedergeburt”. Werden wir wiedergeboren? Als was werden wir wiedergeboren? Und zynischer: Können wir die Welt der Lebenden – selbst wenn wir es wollten – überhaupt verlassen? Der Geist Oscars nimmt uns beim Erkunden dieser Fragen mit auf eine Reise durch ein Sündenpfuhl. Das vorchristliche Babylon spiegelt sich hier in der Millionenstadt Tokyo mit all seinen Nachtclubs, Striplokalen und Spielhöllen. Alle Beteiligten an Oscars Schicksal – seien es seine Freunde oder Linda, seine Schwester – können dem Moloch nicht entrinnen. Sie sind zu tief in einem Strudel aus Drogen, Prostitution und Gewalt gefangen und auch Oscar findet keine Erlösung im Tod. Enter the Void stellt den Tod als eine Art Drogentrip dar. Ein Drogentrip, der so schnell nicht enden mag. Mit über 160 Minuten Laufzeit ist der Streifen auch für hartgesottenen Noé-Fans harte Kost, die Sitzfleisch verlangt. Genau wie bei dem Enter the Void-“Vorgänger”, Irréversible, wird ein Großteil der Handlung von hinten nach vorne erzählt. War dies bei Irréversible der große Clou, scheint es hier ein wenig aufgesetzt. Die Haupthandlung bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Die Vorgeschichte, die erst später erzählt wird, kommt quasi ohne Aha-Momente aus und ist so nur stilistische Fingerübung – schön anzusehen zwar, jedoch verzichtbar. Das Besondere an Enter the Void ist allerdings nicht seine Geschichte, sondern die Art und Weise wie Noé diese erzählt. Der Zuschauer ist Oscar. Er schaut aus dessen Augen. Gerade zu Beginn wird dies deutlich, wird jedes Blinzeln des Protagonisten doch mit einer Schwarzblende dargestellt. Steven Spielberg hat im Prolog zu Saving Private Ryan auf ein ähnliches Stilmittel zurückgegriffen: Er lässt einen Soldaten sterben und die Kamera zeigt für zwei Sekunden Schwärze. Noé greift diese Art auf und treibt sie auf die Spitze. Als Oscar (und damit auch der Zuschauer) stirbt, bleibt das Bild für eine halbe Minute dunkel, bis man anschließend als Geist Oscar’s wiedergeboren wird. Noé erweitert so mal eben die Grenzen des Mediums Film. Er spult nicht nur eine Geschichte ab, sondern lässt den Zuschauer und Rezipienten zum Teil selbiger werden. Dies ist natürlich – sonst wäre es kein Noé – mit abenteuerlichen Kamerafahrten verbunden. Ganz wie Oscars Geist, scheint die Kamera durch Wände gleiten zu können; in den Körper von anderen Menschen hinein und wieder heraus. Durch die Augen von verschieden Handlungsträgern nimmt man nun das Leben (und Sterben) in Tokyo war. Wir sind dabei, wenn sich Junkies Überdosen setzten; Leute erschossen werden und Sex haben. Hält sich Noé bei der Gewaltdarstellung – vor allem im Vergleich zu Irréversible – doch ein wenig zurück, sind es bei Enter the Void die Sexszenen, die besonders explizit ausfallen. Noé schreckt in dieser Hinsicht nicht davor zurück, mittels der Eisensteinchen Attraktionsmontage auch Bilder in Zusammenhang zu bringen, die den einen oder andren Zuschauer sicher schocken oder verstören mögen. Doch wie gesagt, Noé liefert nun einmal Kino der Extreme.

Filme-Blog Wertung: 7/10

Gerade in Anbetracht der Klassiker, die Gaspar Noé bisher produzierte, fällt Enter the Void leider ein wenig ab. Es ist vor allem die Handlung, die diesmal nicht so “rund” wirkt, wie beispielsweise in Irréversible. Die Schauspielerinnen machen allesamt einen guten Job und gehen teilweise an ihre Grenzen. Stammkomponist Thomas Bangaltar kombiniert einmal mehr klassische Musikstrukturen mit elektronischen Klängen. Auch hier entsteht ein eigenes (Klang-)Universum, welches die Bilder, die Noé liefert, perfekt unterstreicht, bereichert und ergänzt.

Filmfazit:

Kino der Extreme! Enter the Void ist ein Film für Noé-Fans – und selbst unter diesen werden sich einige Kritiker finden. Obwohl Noé einmal mehr die Grenzen des Mediums Film verschiebt, bleibt beim Schauen ein seltsamer Nachgeschmack. ist das etwa Langeweile?

Filmtrailer:

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