Django Unchained (2013)

Filmbeschreibung:

Django (nur echt mit stummem “D”) war nie ein freier Mann. Zeit seines Lebens wurde er an den Meistbietenden verkauft; als Sklave fristete er sein Leben auf unterschiedlichsten Plantagen im Süden der USA. Dies liegt an seiner Hautfarbe: Ein schwarzer Afroamerikaner hat im Amerika der frühen 1860er Jahre nichts zu sagen. Selbst seine Frau Broomhilda wurde ihm von den Brittle Brothers genommen und an den Großgrundbesitzer Calvin Candie verkauft. Django sinnt seit dem auf Rache. Rache an den Brittle-Brüdern und generell an allen Weißen. Da trifft es sich gut, dass auf eben jene Brüder ein nicht unermessliches Kopfgeld ausgesetzt ist, welches der aus Deutschland stammende Zahnarzt Doktor King Schulz liebend gerne einstreichen würde. Problem: er weiß nicht, wie die drei Rassisten aussehen. Und da kommt Sklave Django ins Spiel. Der Kopfgeldjäger „beschafft“ sich den Ex-Plantagenarbeiter und versucht die Brittles mit seiner Hilfe aufzuspüren. Dabei findet dieser Mann, der nie eine andere Aufgabe hatte, als für Weiße zu schuften, gefallen am töten und dafür Geld zu bekommen. Doktor King Schulz und Django tun sich zusammen, um nicht nur die Brittle Brothers zur Strecke zu bringen, sondern auch Djangos Frau aus Candies Klauen zu befreien. Eine blei- und bluthaltige Reise durch den Wilden Westen wartet auf die ungleiche Schicksalsgemeinschaft. Zum Trailer

Filmkritik:

Mit Django Unchained macht Quentin Tarantino (Kill Bill, Inglorious Basterds, Jackie Brown, Pulp Fiction) mal wieder deutlich, dass er nicht nur ein Drehbuchschreiber der Extraklasse und ein Regisseur, der aus seinen Schauspielern das aller-, allerbeste herausholt ist, sondern in erster Linie auch ein Filmfreak. Sein Spiel mit den Genres (welches ich im Vorfeld von Django Unchained fast schon ein wenig kritisiert habe, da ich Abnutzungserscheinungen befürchtete) ist einfach großartig und macht aus dem eigentlich simplen Film ein wahres Meisterstück. Nur vordergründig ist Django Unchained ein so genannter Italo- oder Spaghetti-Western. Vielmehr ist er über weite Strecken eine modernisierte Blaxploitation-Granate, ein Drama, ein Geschichtsfilm und ganz klar eine Komödie. Und was ist das für ein Wechselbad der Gefühle, welches man bei dem Filmgenuss durchlebt. Lachte man sich gerade noch über Djangos coole Art, King Schulz’ geschliffene Dialoge oder manche ins groteske übersteigerte Szene halb kaputt, bleibt einem selbst ein Kichern in der nächsten Szene im Halse stecken, wenn Tarantino die Gewalt gegen „Andersfarbige“ explodieren lässt oder einfach nur einen alltäglichen widerlichen Rassismus seziert. Fast schon unerträglich intensiv wird Django Unchained immer dann, wenn er zeigt, wie „normal“ der gezeigte Umgang mit den „Niggern“ in einer Zeit ist, in der sich eine Bevölkerungsgruppe eine andere zu Untertanen macht. Tarantino gelingt es auf wunderbare Weise Rassismus (sowohl von „Weißer“, als auch von „Schwarzer“ Seite) als etwas Zerstörerisches zu entlarven. In Django Unchained (und wohl auch in der „echten“ Welt) ist es eben nicht der stumpfe Parole brüllende Rassismus, der anhand noch immer fest verwurzelte Ressentiments gegen andere Nationalitäten für andere Hautfarben die größte Gefahr darstellt, sondern der versteckte, heimtückische und gelebte Alltagsrassismus. Ersterer ist ein einfacher Reflex relativ minderbemittelter Idioten auf unmittelbare Ereignisse, der zwar eruptive Gewalt zur Folge hat, jedoch selektiv wirkt und durch leichte Argumentationsketten außer Kraft zu setzen ist. Tarantino stellt dies wunderbar in der schon jetzt legendären Kapuzen-Szene (ausnahmslos jeder, der Django Unchained gesehen hat, wird sich an die großartige Slapstick-artigen Ku-Klux-Klan-Jungs erinnern) dar. Auch der Rassismus, der sich in leeren Phrasen erschöpft – „Nigger“ – ist leicht ausgehebelt, was man sogar wunderbar am Kinopublikum sehen konnte. Während der voll besetzte Saal zunächst noch verschämt überlegte, ob man bei den teilweise absurd klingenden „Nigger“-Wortschöpfungen lachen dürfe, kulminierte es schon bald in befreiendes Kichern und schließlich lautes Lachen. Der Slang des Films wirkt aus heutiger Sicht – glücklicherweise – antiquiert und nicht mehr zeitgemäß. Ein Zeichen dafür, dass ein großer Teil des alltäglichen Rassismus des letzten Jahrhunderts der Vergangenheit angehört. In dieser Hinsicht zeigt der Umgang mit der Begrifflichkeit auch abseits der Leinwand für interessante Blüten. In den USA muss sich beispielsweise ein Samuel L. Jackson in einem Interview zum Film dafür rechtfertigen, „das N-Wort“ so häufig zu benutzen – was er auf seine ihm eigene elegante Weise umschifft, die auch wieder viel über die amerikanische Gesellschaft aussagt (einfach mal googeln). Drittens wird in Django Unchained zudem angedeutet, dass sich das Wort „Nigger“ schon sehr bald zu einem regelrechten Kampfbegriff der „Schwarzen“ untereinander resultiert. Diese Umdrehung des Begriffs – von etwas Negativem zu etwas Positiven – wird insbesondere in der heutigen (us-amerikanischen) Hip-Hop-Kultur deutlich – einem der letzten Reservate, wo „Nigger“ noch heute entkontextualisiert verwendet wird. Passenderweise verweist Tarantino in mindestens zwei Szenen auf eben genau jene Rapper, die das Wort noch im 21. Jahrhundert salonfähig halten. Doch wie gesagt, ist es ein anderer Rassismus, den der Regisseur von modernen Klassikern wie Kill Bill, Pulp Fiction oder Inglorious Basterds ganz besonders anprangert und zur Schau stellt – den, der auch heute noch Gang und Gebe ist (wenn auch in anderer Form). Großgrundbesitzer Calvin Candie ist ein eloquenter, frankophiler Gentleman, der seine Sklaven anders behandelt, als die bis dato dargestellten Rassisten im Film. Augenscheinlich sind sie in die Familie integriert, arbeiten im Haus und Candie spricht sogar wie ein zivilisierter Mensch mit ihnen. Allerdings reicht diese „Gleichheit“ für Candie nur soweit, wie er die „Nigger“ kontrollieren kann. Anders als die anderen Rassisten des Films instrumentalisiert Candie Menschen und ist somit ein unglaublich unsympathischer, unberechenbarer und Tarantino-typisch kranker Opponent. Hinzu kommt, dass dieser „aufgeklärte“ Europafreund seine Rassentheorien auf verquerte Wissenschaft stützt und wirklich glaubt, was er verzapft.

Filme-Blog Wertung: 10/10

Leonardo DiCaprio verkörpert den Fiesling beängstigend authentisch. Hätte er sich nicht schon mit Inception und Shutter Island in den Olymp des modernen Hollywoods gespielt, mit Django Unchained hätte er es geschafft. Überhaupt hätten die Schauspieler des Neo-Westerns so ziemlich alle durch die Bank einen Oscar verdient. Christoph Waltz pendelt zwar in Django Unchained nicht so zwischen Genie und Wahnsinn wie bei den Basterds – dafür ist seine Rolle als Doktor King Schulz dann doch zu humoristisch angelegt – dennoch ist er mit der Beste im Cast. Alles in allem ist seine Figur zwar so ziemlich die Eindimensionalste des Films, was jedoch nicht weiter schlimm ist: Mit seiner kongenialen Mischung aus Satire, Ernst und Süffisanz könnte Waltz selbst einem Stückchen Brot noch Tiefe verleihen. Herausstechend ist auch Samuel L. Jackson (Die Jury, Lakeview Terrence), der als seniler und fast schon dämonischer Butler Stephen, der Story noch eine weitere Ebene verleiht. Stephen war so lange im Dienst von Candie, dass er dessen Verhalten quasi adaptierte. In gewisser Weise ist er fieser als Candie selbst, da er als „Nigger“ die fremdenfeindlichen Ressentiments der Weißen übernahm und opportunistisch nur seinen eigenen Vorteil im Blick hat. Django Jamie Foxx (Collateral) spielt routiniert, fällt jedoch im Gegensatz zu den anderen genannten Rollen etwas ab – was bei der Extraklasse, mit der alle Charaktere aufwarten, jedoch nicht störend auffällt. Seine Transformation vom Sklaven zum Revolverheld verläuft zwar etwas abrupt, aber auch das stört nicht weiter. Um noch einmal zur Genre-Frage zurückzukehren. Stellenweise schrammt Tarantino hart an der Grenze zum Splatter. Im Mittelteil findet sich eine Schießerei, die einen absurden Gewaltexzess zelebriert und eine regelrechte Hommage an Peter Jacksons Zombieerstling Braindead darstellt. Gleichzeitig hat man es mit Django Unchained aber auch mit einem unfassbar kunstvollen Film zu tun. Jede Einstellung, jedes Frame und jede Bewegung der Akteure ist formvollendet, durchkomponiert und ein wahrer Genuss. Die Dialoge wirken – auch in der deutschen Synchro – wie den Charakteren auf den Leib geschrieben. Besonders die geschliffenen Sätze von Waltz stehen seinem SS-Mann Hans Landa in nichts nach und begeistern wie damals bei den Basterds.

Filmfazit:

Django Unchained ist das erste Highlight des noch jungen Kinojahres und ein absolutes Must See. Bis auf den Titel hat er zwar mal so gar nichts mit Sergio Curbuccis Django von 1966 gemein – wäre da nicht ein charmanter Cameo von James Franco – das macht jedoch überhaupt gar nichts. Django Unchained dürfte nicht nur Western-Freunde (die wahrscheinlich noch am Wenigsten) ansprechen, als vielmehr jeden Freund des stilvollen, cineastischen Kulturprogramms.

Filmtrailer:

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3 Gedanken zu “Django Unchained (2013)

    • Hab ihn nochmal auf englisch gesehen – auch top.
      Gegen Ende lässt er wirklich etwas nach (ist mir aber erst beim zweiten Sichten aufgefallen). Die Szene nach dem großen Shoot-Out wirkt irgendwie wie nachträglich eingefügt, zumal ja der Showdown dann wieder an exakt der gleichen Stelle stattfindet, wie die Ballerei…

  1. OMG, ich hab mir den Film, nach vielen empfehlungen jetzt mal angeschaut. Der Film ist wirklich Hamma, am Ende ist lässt es wirklich nach aber dafür macht es die Filmlänge wieder wett.

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