Alexandre Ajas Maniac (2012)

Filmbeschreibung:

Jeder Mensch braucht ein Hobby. Manche sammeln Briefmarken oder Postkarten oder seit Neuestem Apps. Wieder andere verreisen sehr gerne, andere treiben Sport und einige ganz wenige Verrückte betreiben sogar einen Filme-Blog (ja, das soll’s geben). Noch eine Stufe extremer als letztgenannte Gruppe treibt es Frank. Frank mag Mannequins. Er hat sein Hobby, die Gestaltung von Schaufensterpuppen, zumBeruf gemacht und verbringt seine Tage damit, den leblosen Puppengesichtern doch Leben einzuhauchen. Und Frank bedient sich dazu einer ganz besonderen Zutat: Menschlicher Haarpracht, die er von getöteten Frauenköpfen abzieht. Klingt eklig? Ist es auch. Doch als Frank die junge Fotografin Anna kennenlernt gerät er in einen Zwiespalt. Er verliebt sich in die hübsche Frau, die ganz begeistert von seinen Puppen ist. Frank schwankt nun zwischen seiner Obsession eine jede Frau, die er trifft zu töten und zu skalpieren und einem ihm völlig neuem Gefühl: Liebe. Zum Trailer

Filmkritik:

Man, ist Alexandre Ajas Maniac brutal! Die Gewaltszenen, die einen integralen Bestandteil der Neuverfilmung von William Lustigs Original aus dem Jahr 1980 darstellen, sind von einer überbordenden Intensität. Man spürt das scharfe Messer buchstäblich unter die Kopfhaut von Franks Opfern fahren. Doch wer meint, dass es Regisseur Franck Khalfoun nur darauf ankommt, das Publikum mit Exzessen der Brutalität zu schocken, der könnte falscher nicht liegen. Viel fieser als alle Häutungen und Skalpierungen, ist das Innenleben des Hauptcharakters Frank. Franks Kindheit war nicht rosig: Seine alleinerziehende Mutter besserte sich ihr Gehalt als Prostituierte auf. Der kleine Frank wurde Zeuge, wie Mama tagtäglich mit ihm fremden Männern Sex hatte. Liebe oder Zuneigung existierten für den Jungen nicht. Insofern ist Frank als bloßes Produkt seiner Umwelt zu sehen. Was er nicht kennenlernte, kann er nicht selbst weitergeben. Für ihn sind Frauen bloß Objekte seiner Lust, die sich ihm hingegeben sollen und ruhig zu sein haben. Seinen Hass auf das weibliche Geschlecht versteckt der Mittdreißiger hinter einer Maske der Unschuld – und hier kommt Hobbit Elijah Wood (Hooligans) ins Spiel. Zwar spielte er schon mit Sin City gegen sein Der Herr der Ringe-Stigmata an, so richtig aus der knuddeligen Rolle des Pelzfüßlers wollte er jedoch nicht herauswachsen – bis jetzt. In Alexandre Ajas Maniac ist er böse, abgrundtief böse. Zumindest bis zu jenem Moment, in dem er Anna kennenlernt – und selbst dann scheint das Tier in ihm immer noch hervorbrechen zu können.

Filme-Blog Wertung: 9/10

Was Alexandre Ajas Maniac dann wirklich zu etwas ganz Besonderem macht, ist, dass er in erster Linie eine Charakterstudie seines Protagonisten ist. Dabei ist es dem Regisseur hoch anzurechnen, dass man nahezu den kompletten Film aus der subjektiven Sicht Franks sieht. Wir schauen durch seine Augen, wenn er eine winselnde Frau skalpiert. Wir blicken aus seiner Sicht auf die nackte Hure unter ihm, mit der er gerade Sex hat. Und wir erblicken mit ihm zum ersten Mal die hübsche Anna. Es gibt genügend Beispiele von Filmen, in denen eine Ego-Sicht irritierend und/oder gewollt wirkt – hier sei nur der unsägliche Doom – Der Film genannt – bei Alexandre Ajas Maniac jedoch merkt man, wie viel Aufwand Khalfoun in dieses Stilmittel investierte. Durch die subjektive Kamera erblicken wir Zuschauer zwar nicht das ganze Seelenleben Franks, können jedoch erahnen, welch tragischer Charakter sich hinter dem Mörder und dem Blender versteckt. Nur in wenigen Szenen verlässt die Kamera „den Kopf“ Franks. Dann schwebt sie zügellos umher und fängt das Geschehen in düster-morbiden Bildern ein. Generell ist die gesamte Welt, die Alexandre Ajas Maniac erschafft, eine urbane, kalte und emotionslose. Lange U-Bahn-Schächte, leere Straßen, gläserne Hochhäuser und dann, wie ein Refugium, der Mannequin-Laden von Frank, der wie ein Relikt aus einer anderen Zeit anmutet. Plötzlich versteht man, warum dieser Ort, der auf den ersten Blick aufgrund der leblosen Schaufensterpuppen beängstigend und faszinierend zugleich wirkt, für ihn Heimat, Schutz und Sicherheit bedeutet. Frauen können Frank keine Wärme schenken, dafür ist er zu verkorkst, jedoch ist ihr Haar für ihn ein Objekt der Begierde. Haare „leben“ selbst dann weiter, wenn der restliche Körper tot und schon verwest ist. Sie sind – auch in unserer Gesellschaft – ein besonderes Schönheitsideal. Frank will einzig und allein Zuneigung spüren, und die Haare auf den Köpfen der von ihm geformten, perfekten Frauen, den Schaufensterpuppen, sind ein erster (Fehl)Tritt in diese Richtung. Die explosive Mischung aus Franks Innerem und einer Umwelt, die sich nicht für ihn interessiert, wird spätestens dann entfacht, als er herausfindet, dass seine neue (erste) Liebe, Anna, einen Freund hat. Und spätestens dann möchte man Frank nicht im Dunkeln begegnen.

Filmfazit:

Ein Film gewordener Albtraum in Blutrot. Regisseur Franck Khalfoun liefert mit Alexandre Ajas Maniac ein Meisterstück des düsteren Kinos ab. Expressive Bildsprache gepaart mit hemmungsloser Brutalität und einem Fünkchen Hoffnung in der ansonsten totalen Finsternis – ein Film, der niemanden kaltlassen wird. Und Elijah Wood ist nun endlich nicht mehr nur der Hobbit, sondern ein ekliger, sadistischer Maniac.

Filmtrailer:

Facebook Kommentare

Facebook Kommentare

2 Gedanken zu “Alexandre Ajas Maniac (2012)

  1. ein schokierend blutiger und verstörender psychothriller, dessen verstörtheit ebenfalls noch mit der unheimlichen musik untermalt und verstärkt wirkt – dazu noch der protagonist, zu dem elijah wood übrigens hervorragend passt: mit seinem eher zierlichen, etwas schwach wirkendenden erscheinungsbild repräsentiert er wunderbar die zwei seiten von frank: zum einen die schüchternde, jedoch freundliche und nüchternde seite, die zuvorkommend wirkt und so scheint, als würde er keiner fliege was zur leide tut und zum anderen die wirklich depressiv durchgeknallte und psychopathische seite, die ohne mit der wimper zu zucken seine opfer abschlachtet – das passt einfach zu ihm, ganz nach dem motto: stille wasser sind tief, in diesem fall marianengraben tief… (das hat elijah wood übrigens meiner meinung nach auch schon bei “sin city” überzeugend bewiesen)
    was ein wenig seltsam wirkt, neben seiner gestörten persönlichkeit, ist der verlauf bezüglich seiner morde – ich meine, er hinterlässt gefühlt 100 indizien bei seinen “touren” und dennoch kriegt man nicht viel mit von der polizei – das kommt einem dann so vor, als würde er in einer ganz anderen, eigenen welt leben, einer traumwelt, in der jeden tag seinem täglichen “hobby” nachgehen kann, ohne konsequenzen zu fürchten – dadurch verliert der psychothriller meiner meinung nach etwas an spannung auch wirkt diese völlige menschenleere bei seiner jagd auf die “vorhang-tänzerin” etwas fraglich
    davon jedoch abgesehen, schafft es der film diese psychotische atmossphäre hervorragend in szene zu setzen: schockierende bilder, ständige ego-perspektive, verstörende musikalische untermalung und die immer wieder kehrenden rückblicke, die seine psychose ein wenig erläutern

    insgesamt würde ich sagen, dass er seinem genre wohl alle ehre macht, denn die darstellung passt wie die perücke auf das puppenhaupt – aber da er für mich wie ein hardliner wirkt, denke ich nicht, dass er für jene, die nicht solch ein genre favorisieren, zu empfehlen wäre (persönlich bin ich übrigens auch kein großer fan davon, man merkt jedoch die qualität im film und nora arnezeder aka anna ist ja wohl wirklich eine augenweide~ <3)

    persönliche bewertung: 7/10 (zum einen, weil mich die geschichte mit der polizei etwas stört und zum anderen, weil solche art von filmen etwas übertrieben finde)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.