Filmbeschreibung:
Habt ihr damals in der Schule alle aufgepasst? Ja? Na dann muss ich hier ja gar keine Inhaltsangabe von Ralph Fiennes Regiedebüt Coriolanus geben, basiert das Werk doch auf einer klassischen Tragödie von William Shakespeare. Ja, der englische Lyriker hat noch weit mehr geschrieben als Romeo und Julia. Leider geht das im Schulunterricht ein wenig unter und die Geschichte „The Tragedy of Coriolanus“, die auf der Sage über den Feldherrn Gnaeus Marcius Coriolanus basiert, dürfte wohl den wenigsten bekannt sein, gehört sie doch zu Shakespeares weniger bekannten Werken und auf gar keinen Fall zum Kanon, der in der Oberstufe gelesen Bücher. Deshalb hier doch noch mal eine Inhaltszusammenfassung: General und Feldherr Cajus (Gnaeus) Martius ist das Aushängeschild des römischen Militärs im Kampf gegen den Widerstand, das Volk der Volsker. Doch ein Held ist er nicht. Als militaristischer Faschist wird er einerseits vom Senat und vom Volk gefürchtet, gleichzeitig jedoch als „Marke“ vergöttert. Martius jedoch macht keinen Hehl aus seiner Verachtung für das einfache Volk, die Patrizier, was schlussendlich auch dazu führt, dass es von seinen eigenen Leuten verraten wird. Martius muss aus Rom fliehen und schließt sich seinem Erzfeind, dem Volsker-Anführer Aufidius an. Gemeinsam mit Aufidius marschiert Martius gen Rom… Zum Trailer
Filmkritik:
Der Clou von Coriolanus ist, dass er die beschriebene Handlung ins 21. Jahrhundert transportiert. Das funktioniert erstaunlich gut, wird der parabelhafte Charakter des Ursprungswerkes doch noch einmal verstärkt. Shakespeares Geschichte über Macht, Politik und Gewalt ist zeitlos und macht auch heute eine nicht weniger brisante und aktuelle Figur als in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als das Werk Premiere feierte. Wohl auch weil die Tragödie über den römischen Feldherrn ja an sich bereits ein historisierendes Epos ist, wirkt die Verfilmung ungemein stimmig – wenn man über die ersten irritierenden Momente hinweg ist. Die Irritation kommt dabei weniger von dem Visuellen – der Film sieht aus, wie alle aktuellen Kriegsfilme nach Black Hawk Down – sondern vielmehr an der Sprache. Regisseur Fiennes geht in seiner Detailgenauigkeit so weit, den kompletten Dialogtext aus dem Urtext zu übernehmen. Ein „Suchet Deckung“ im Eifer des Gefechts ist da noch das mindeste der Gefühle. Wenn sich die Charaktere in ellenlange Gespräche über Schuld und Sühne, über Regierungsformen und Machtmissbrauch unterhalten, dann frohlockt der Germanist – und der, der Deutsch am liebsten nach der neunten Klasse abgewählt hatte, weint bittere Tränen, da seine Actionvorfreude an Coriolanus in keinster Weise erfüllt worden sind. Trotzdem machen die Actionszenen, die der Trailer im übrigen nahezu komplett spoilert, einiges her. In der Volsker-Stadt geht es ordentlich und handwerklich gut gemacht zur Sache. Es ist wohl kein Zufall, dass die Stadt dabei aussieht, wie der Prototyp einer arabischen Metropole. Urbanes Kampfsetting in Grau, lautet das Motto und wer nach all den Kriegsfilmen der letzten Jahre davon noch nicht übersättigt ist, hat seine helle Freude an den ersten 30 Minuten von Coriolanus. Danach kommen dann jedoch die Shakespeare-Freunde auf ihre Kosten. Ah, was hat der gute Mann damals doch für tolle, vielschichtige Charaktere erschaffen. Es ist schon bezeichnend, dass es Hollywood heutzutage nicht mehr selbst schafft solche Typen, wie eben Coriolanus selbst, seine vom Ehrgeiz und Stolz zerfressene Mutter oder seine in Sorge lebende Ehefrau zu erschaffen – aber dann bedient man sich eben der über 200 Jahre alten Vorlage..
Filme-Blog Wertung: 8/10
Toll auch, wie die schon beinahe homoerotische Beziehung zwischen dem Faschisten Coriolanus und dem (in Ansätzen) Demokraten Aufidius umgesetzt ist. Die Hass-Liebe der Beiden erinnert in ihren Glanzmomenten an die des Jokers und Batmans in Christopher Nolans The Dark Knight. Und noch einmal muss ich Ralph Fiennes ein Lob dafür aussprechen, Shakespeares Text originalgetreu zu übernehmen. Da werden keine Zugeständnisse an Popcorn-Kino-Fans gemacht! Nein, nicht bei Coriolanus: Da gibt’s volles Pfund auf die Fresse von denjenigen, die sich einen leichten Actionabend gewünscht haben.
Filmfazit:
Coriolanus ist wahrlich ein beeindruckender Film. Weniger aufgrund des Visuellen (was dennoch über jeden Zweifel erhaben ist) als vielmehr aufgrund seiner Ausgangsidee. Das Fazit: Shakespeare ist auch 2012 mit Sturmgewehren und Explosionen nichts für jedermann: „Macht ihr ein Schwert aus mir!?“
Filmtrailer:
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